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503. Nachdenkliches für Manager – Volltreffer 9-89

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Volltreffer
Auf dem Firmen-Parkplatz hatten sie die weißen Begrenzungslinien neu gemalt und zur Sonnenseite hin, in der Verlängerung der Eingangsfront, waren einige Bäume gepflanzt, die noch fleißig wachsen mussten, bis sie genügend Schatten für die Autos geben würden.

Es hatte sich etwas getan in den drei Wochen, die ich weg gewesen war, im Urlaub, ganz oben in Dänemark, am Nordwestende Jütlands.

Ich schloss die Wagentür und ging die Treppe zum Portal hinauf.
Es waren gute Tage gewesen. Mit kräftigem, munter machenden Wind, so wie ich ihn liebte, mit tagelang tosender Brandung, die einen wie Strandgut zurück an die Küste warf. Mit zauberhaftem Sonnenschein, aber auch mit Regen, der das Bücherlesen so angenehm machte und in seinem rauschenden Gleichmass das Gemüt beruhigte.

Muscheln, Seesterne, originelle Steine und buntes Tau von zerrissenen Fischernetzen, rot, blau, gelb und grün, hatte ich in fast kindlicher Entdeckerfreude gesammelt und von allen diesen Gegenständen unter den belustigten Blicken meiner Frau die Teerflecken entfernt, mit Waschbenzin, das ich mir aus einer kleinen Drogerie holte. Als ich die betrat und den unnachahmlichen, nicht beschreibbaren Duft tief einatmete, diese geheimnisvolle Geruchs-Komposition aus tausend Artikeln Warensortiment, hatten mich die Erinnerungen förmlich überfallen. Vor vielen Jahren war es, da lernte ich meine Frau in einer Drogerie näher kennen, und unvermittelt war ich im Geist wieder 18 Jahre alt und bekam Herzklopfen.

Samt Teerentferner zurückgekehrt zum Strand, nahm ich meine Frau wortlos in die Arme, ganz öffentlich und intensiv.
Wahrhaftig, es waren schöne Ferien gewesen.

Meine Sekretärin hatte mir einen großen Strauss frischer Blumen auf den Schreibtisch gestellt, und als ich mich herzlich bei ihr bedankte, sagte sie: „Übrigens, in 30 Minuten ist Konferenz beim Chef, ich habe Ihnen die Unterlagen gerichtet.“
Ich dachte, vielleicht hätte ich nicht Seesterne, Steine, Taue und Muscheln sammeln, sondern nach Perlen tauchen und ihr eine mitbringen sollen.

Als ich ins Sitzungszimmer kam, waren die meisten aus der Runde schon versammelt. Ich ging von einem zum anderen und wünschte guten Morgen.
„Da sind sie ja wieder Sie Urlauber“, sagte mein Kollege Otmar Schneider, Chef der Organisation und der EDV, „wo waren Sie denn in diesem Jahr?“
Als ich ihm die Antwort gab, fixierte er mich und ergänzte: „Aber so toll war es wohl nicht, Sie sind ja kaum braun geworden“. Volltreffer!

Nach dem Ende der Sitzung ging ich in den Waschraum und besah mich lange im Spiegel. Da hatte es jemand geschafft, mit einem einzigen Satz mein Herz zu treffen. Weshalb war ihm das gelungen?
Natürlich, so braun wie einer, der vom Mittelmeer kam, war ich nicht. So ganz Unrecht hatte Schneider nicht, und ich wusste das. Wieso hatte mich seine Formulierung dennoch verletzt? Die Art und Weise, wie er es sagte? Nein, das war es nicht, denn wir alle verkehrten untereinander immer geradeheraus und ohne Zierrat. Aber warum war ich im ersten Moment ganz dicht daran gewesen, mich in einer Art spontaner Reaktion zu rechtfertigen?

Hatte ich irgendwo ganz tief in mir ein Erwartungsmodell von mir selber und von allem, was ich tat, und schloss selbst so primitive Denkweisen wie diese mit ein: Braun ist gesund, gesund ist dynamisch. Blaß aber signalisiert: Ohne Konturen, fehlende Originalität?
Ich sah mir im Spiegel in die Augen und sagte laut: „Lächerliche Äußerlichkeiten“ und war dennoch nicht ganz überzeugt davon. Ich hatte seine Worte als Kritik empfunden: Einem, dem sonst immer alles glatt von der Hand geht, gelingt der Urlaub nicht perfekt. Das ging gegen mein Denken und gegen meine Natur, irgendwo nach außen hin sichtbare Defizite zu haben und sei es mangelnde Bräune im Gesicht.

War ich im letzten nicht selber viel zu abhängig von Äußerem? Mir gegenüber, aber auch bei anderen? Urteilte ich nicht oft genug nach dem Augenschein, abschätzend und einteilend?

Mir fiel eine Begebenheit aus der Bibel ein: Da kam der Prophet Samuel nach Bethlehem zur Familie des Isai, um einen von dessen Söhnen zum späteren König Judas und Israels zu salben, und als erster begegnet ihm Eliab. Hochgewachsen, blendendes Aussehen, ein stattlicher Mann. Samuel war beeindruckt und dachte: Das ist er und kein anderer. Aber Gott macht ihm klar: „Achte nicht auf sein Aussehen und seine Persönlichkeit. Ihr Menschen seht auf das, was vor Euren Augen ist, aber ich, Euer Gott, urteile anders, ich sehe das Herz an, und Eliab ist nicht der, den ich gebrauchen kann.“

Da hatten mich die Worte von Otmar Schneider getroffen. Aber was wird sein, wenn Gott mir eines Tages die wirkliche Wahrheit über mich ins Gesicht sagt?

 

Karlheinz Binder

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Thema: Nachgedacht

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