608. Gender Mainstreaming: Ein politisches Programm zur Gestaltung von Zukunftslosigkeit?
Mittwoch, 25. Oktober 2017 | Autor: intern
Mann u.Frau_S. Hofschlaeger_pixelio.de
Liebe Blogbesucher,
vor einiger Zeit schrieb mir ein Freund zu diesem Thema folgende Zeilen.
Was Gender anbelangt handelt es sich um eine Pseudowissenschaft, vergleichbar mit Rassenlehre, wissenschaftlichem Sozialismus und Astrologie. Sie ist Zeichen einer übersättigten, dekadenten Gesellschaft, die Zeit hat, sich mit einem solchen Schwachsinn zu befassen. Ich habe das ungute Gefühl, dass wir demnächst ganz hart auf den Boden der Realitäten zurückgeholt werden könnten, wo dann mancher die Gender-Hirnfürze vergehen.
Ich bedanke mich bei der Redaktion www.geistbewegt.de für die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses sehr guten Artikels von Frau Dr. Christl Vonholdt.
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Was versteht man unter „Gender Mainstreaming“?
Gender Mainstreaming (GM) ist ein facettenreicher Begriff. Manche verstehen darunter einfach die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter. Sie meinen, im GM ginge es vor allem darum, bestehende Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen von Frauen oder Männern zu beseitigen. Wenn das so wäre, wäre GM zu begrüßen. GM meint aber im Kern etwas anderes, und wenn man dieses andere nicht will, sollte man auf den Begriff GM verzichten.
Worum geht es denn dann bei GM? Der Begriff Gender Mainstreaming hat seinen Ursprung in der Weltfrauenkonfe renz in Peking 1995. Er bedeutet, die Gender Theorien (GT) in den Mainstream, also in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Die GT beinhalten ganz bestimmte, sehr radikale Thesen über Geschlecht, Mann- und Frausein. In einem ersten Schritt behaupten die GT, dass es keinerlei wesen- hafte Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt. Es dürfe deshalb auch keinerlei Geschlechtsrollenunterschiede geben, weder in der Erwerbsarbeit noch in der Verteilung der Familienarbeit.
In einem zweiten Schritt gehen die GT noch weiter: Sie stellen die Kategorien „Mann“ und „Frau“ grundsätzlich infrage und fordern, der Mensch müsse von der „Zwangskategorie“ Geschlecht befreit werden. Die äußeren Geschlechtsmerkmale des Menschen seien zufällig, und der Mensch könne nur frei sein, wenn er sein Geschlecht selbst wählen kann oder, besser noch, auf die Kategorie „Geschlecht“ ganz verzichtet.
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Welche Vorstellungen oder wissenschaftliche Annahmen liegen den Gender-Theorien zugrunde?
Die Vertreter der GT behaupten, sämtliche psychischen und Verhaltensunterschiede zwischen Mann und Frau und damit auch alle Geschlechtsrollenunter- schiede seien nur soziale und kulturelle Konstruktionen. Sie seien von einer un- gerechten Gesellschaft, insbesondere von Männern erfunden worden, um die Frau an Familie und Kinder zu binden und sie so von einflussreichen politischen oder wirtschaftlichen Ämtern fernzuhalten. Die Bindung der Frau an Familie und Kinder, so die Vertreter der GT, bedeute in Wirklichkeit Unterdrückung der Frau. In den GT sind dies Grundannahmen, die nicht hinterfragt werden. Empirisch wurden sie nie geprüft.
Gibt es Studien, die zu gegenteiligen Ergebnissen kommen?
Unabhängige empirische Langzeitstudien, welche die Kibbuzim-Entwicklung in Israel untersuchten, haben geprüft, ob diese Theorien der Wirklichkeit standhalten und sind zu dem Schluss gekommen, dass sie es nicht tun. In der Kibbuzbewegung war man anfangs davon ausgegangen, dass es Gerechtigkeit in einer Gesellschaft nur geben kann, wenn alle Geschlechtsrollenunterschiede abgeschafft sind. Deswegen wurden in den Kibbuzim die Kinder von Geburt an im Kinderhaus von ausgebildeten Erziehern und Erzieherinnen versorgt. Die Frauen machten das zunächst mit, doch irgendwann rebellierten sie. Letztlich setzten sie es durch, dass die Kinder wieder zuhause lebten.
Die Studien kommen zu dem Schluss: Es gibt Geschlechtsrollenunterschiede zwischen Mann und Frau, die nicht gesellschaftlich konstruiert sind, sondern die dem unterschiedlichen Wesen von Mann und Frau entsprechen.
Was genau soll bei der Verwendung des Begriffes „gender“ betont werden?
Reicht es nicht, von Geschlecht, also von „sex“ zu reden? Im Englischen gibt es zwei Begriffe für „Geschlecht“: „sex“ und „gender“. Der Begriff sex betont das Biologische am Geschlecht. Der Begriff gender betont das soziale Geschlecht, wie sich Mannsein und Frausein im Alltag zeigen, also auch die männliche und weibliche Geschlechts- rolle. Da der Mensch ein ganzheitliches Wesen ist und Leib und Seele zusammengehören, wurden im Alltagsenglisch sex und gender synonym gebraucht.
Die Vertreter der GT trennten jedoch sex und gender und entwickelten die Auffassung, dass die biologischen Gegebenheiten (sex) nur zufällige körperliche Anhängsel ohne Bedeutung seien und dass die soziale Gestalt von Frausein beispiels- weise nichts mit der Biologie zu tun habe. Sie taten das, um den Menschen von jeder Geschlechtsrolle und von der Kategorie Geschlecht überhaupt zu „befreien“. Das ist aber nicht möglich. Es ist, als wolle man einem Fisch sagen, er sei frei, sich im Wasser oder auf der Erde oder in der Luft zu entfalten. Diese Freiheit hat der Mensch nicht. Er kann sich nicht selbst nach Belieben neu erfinden. Er kann sein Potenzial nur entfalten, wenn er das ihm Gegebene, seine Verwurzelung in seiner Leiblichkeit, annimmt.
Was ist denn Geschlecht? Gibt es überhaupt Kriterien für männlich und weiblich?
Die GT und GM behaupten, Geschlecht sei etwas Gemachtes, Konstruiertes. Deshalb könne es willkürlich verändert werden. In Wirklichkeit ist Geschlecht aber etwas Gegebenes, das wir nur annehmen oder uns dagegen auflehnen können. Die Geschlechtsmerkmale sind keine bedeutungslosen Anhängsel, sondern haben etwas mit dem Wesen von Frau und Mann zu tun.
Das kann hier nur sehr verkürzt dargestellt werden. So steht das männliche Prinzip, denken wir etwa an die männliche Samenzelle, für Bewegung, auf-etwas-gerichtet-sein. Entsprechend steht das weibliche Prinzip, denken wir etwa an die Eizelle, für Verbundenheit, Kommunikation. Dabei ist allerdings wichtig: Männliches und Weibliches gibt es in jedem Menschen! Sie sind beim Erwachsenen kein „entweder – oder“, sondern ein „etwas mehr und etwas weniger“. Die Schwerpunkte liegen beim Mann anders als bei der Frau. Jeder Mann muss auch seine weiblichen Anteile integrieren und jede Frau ihre männlichen.
Ist Homosexualität angeboren?
Wie ist das mit Heterosexualität?
Das ist eine komplexe Frage. Kinder, die in ihrer psychosexuellen Entwicklung nicht verletzt wurden, werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit heterosexuell entwickeln. Kinder, die in bestimmter Weise in ihrer psychosexuellen Entwicklung verletzt wurden, haben eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, später homosexuell zu empfinden. Homosexualität ist nicht angeboren. Heterosexualität stimmt außerdem mit dem Design unseres Körpers überein, Homosexualität nicht. Heterosexualität entspricht auch der Sehnsucht des Menschen nach Fruchtbarkeit, nach über-sich-selbst-hinausweisen.
Können denn die Unterschiede zwischen Mann und Frau ausgelöscht werden?
Wenn nicht, greift GM ins Leere. Warum dann noch protestieren?
Wir dürfen nicht vergessen: Der Fokus von GM ist die Umerziehung der Kinder und Jugendlichen. Die GT brandmarken wesensmäßige Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen als „Stereotype“ und wollen sie mit Gewalt abschaffen. Kinder und Jugendliche können dadurch in ihrer geschlechtlichen Identitätsentwicklung erheblich verunsichert werden, und das kann ihre Beziehungsfähigkeit lebenslang beeinträchtigen.
Erwachsene Männer und Frauen, die sich für die ihnen entsprechenden Geschlechterrollen nicht mehr verantwortlich fühlen, bringen Verwirrung für viele kommende Generationen.
In vielen Gesellschaften kann der Mensch heute schon seine Identität im Bereich von Sexualität und Geschlecht wählen. Welche Folgen hat das?
In vielen westlichen Gesellschaften kann der Mensch seine sexuelle (homosexuell, bisexuell) und geschlechtliche (transgender, transsexuell) Identität selbst bestimmen. Doch hat das Auswirkungen auf die nächste Generation, insbesondere dann, wenn diese neuen Identitäten der Ehe gleichgestellt und Kindern und Jugendlichen als Vorbild vor Augen gestellt werden.
Da die GT Geschlecht als bedeutungslose Kategorie ablehnen, lehnen sie auch die Ehe zwischen Mann und Frau als Norm ab. Die Ehe beruht ja gerade auf dem geschlechtlichen Unterschied zwischen Mann und Frau. Und dieser Unterschied ist die Voraussetzung für das Entstehen neuen Lebens! Die GT lehnen ebenso die Heterosexualität als Norm ab, sie wollen gleiche Rechte für homosexuelle, bisexuelle, transsexuelle und transgender Lebensformen.
Wenn in den Kindergärten und Schulen aber vermittelt wird, Geschlecht sei bedeutungslos, die Ehe sei nicht mehr als jede andere sexuelle Lebensform und jeder könne seine geschlechtliche Identität jederzeit wechseln, hat das unübersehbare, zerstörerische Folgen. Jugendliche lernen nicht mehr, ihre Geschlechtsmerkmale, die ja auf die Ergänzung von Mann und Frau verweisen, positiv in ihr Leben zu integrieren. Sie werden daran gehindert, sich als Frau oder Mann anzunehmen. Sie lernen nicht mehr, dass Ehe eine kulturelle Leistung ist, die erst entwickelt werden muss und dass es sich lohnt, sich dafür anzustrengen. Sie werden daran gehindert, all die schmerzlichen, aber notwendigen Lektionen zu lernen, die es ihnen ermöglichen, eine Ehe einzugehen und so an der Zukunft ihrer Gesellschaft mitzubauen. Erwachsene Männer und Frauen, die sich für die ihnen entsprechenden Geschlechterrollen nicht mehr verantwortlich fühlen, bringen Verwirrung für viele kommende Generationen. Heterosexualität und Ehebindung sind die wichtigsten Voraussetzungen für die Zukunftsfähigkeit jeder Gesellschaft – gerade das blenden die GT aus.
Dr. med. Christl Ruth Vonholdt,
Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, war vom Herbst 1996 bis Februar 2017 Leiterin des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft, dem Forschungszentrum der ökumenischen Kommunität »Offensive Junger Christen – OJC e.V.«. Schwerpunktmäßig befasst sich das Institut mit Fragen von Identität, weibliche und männliche Identitätsentwicklung, Bindungsforschung, Sexualität, Ehe und Familie, christliche Anthropologie.